von Terence Dickinson
In der amerikanischen Zeitschrift "Sky & Telescope" erschien in Heft 10/89 (S. 419 ff) unter der Rubrik "Der Amateur-Astronom" ein sehr persönlich gehaltener Bericht über Astro-Physics Apochromaten. Anstelle einer Vielzahl von Kundenurteilen haben wir diesen Beitrag übersetzt, denn er "bringt es auf den Punkt", was uns selbst an diesen Objektiven so fasziniert hat. Der Verfasser war lange Zeit Redakteur der Konkurrenzzeitschrift "ASTRONOMY" und ist in den USA ein sehr bekannter "Astro" - Buchautor. Es ist erstaunlich, dass dieser Bericht in "Sky & Telescope" Raum gefunden hat, denn bislang wurden die Erzeugnisse der Firma Astro Physics von dieser Zeitschrift nur sehr wenig beachtet.
Man kann dieses "Kundenurteil" nur als nachträgliche Verbeugung der Redaktion vor der Leistung von Roland Christen auffassen. Wir hoffen, Ihnen macht das Durchlesen soviel Freude wie uns. Was die Beurteilungen von unserer Seite der Welt angeht, so nennen wir Ihnen bei Interesse gerne die Anschriften unserer Kunden, so dass Sie dort selbst nachfragen können.
In meiner Jugend habe ich viele Abende vor allem mit zwei Beschäftigungen verbracht: Snooker (englisches Billardspiel), wenn der Himmel bewölkt war, und Himmelsbeobachtung in klaren Nächten. Das mache ich immer noch. Unter dem Billardtisch in meinem Hobbyzimmer warten heute 3 Fernrohre auf Ihre "Sternstunde".
Im Alter von 16 bis 21 Jahren habe ich meistens einen UNITRON 3" F 16 Refraktor benutzt. Dieses Gerät kostete 375,- Dollar im
Jahre 1960. Das waren für mich die Ersparnisse eines ganzen Jahres mit Teilzeit - und Sommerjobs zu 55 Cent pro Stunde. In den fünfziger Jahren waren Unitron Refraktoren allgegenwärtige Standard - Instrumente. Heute hat sich diese Firma geradezu aus dem Markt "gepreist".
Ich habe seit fast 10 Jahren keinen UNITRON 3 - Zöller mehr zu Gesicht bekommen. Der 3 - Zöller war damals eine Offenbarung – im Vergleich zu dem armseligen 60mm Refraktor, mit dem ich 1958 meine ersten Beobachtungen begonnen hatte. Der Unitron - Refraktor saß felsenfest auf einem massiven Hartholzstativ und die Feinbewegungen liefen seidenweich. Zum Grundzubehör gehörten bereits 6 Okulare, allerdings von sehr einfacher Bauart, wenn man mit heutigen Okularen vergleicht.
Die Sternscheibchen erschienen als kleine Stecknadelpunkte. Ich erinnere mich, das Vierfach-Doppelsternsystem von Epsilon Lyrae bei 48-facher Vergrößerung getrennt zu haben. Der Kontrast am Mond und Planeten war vorzüglich; während einer Nacht mit exzellentem Seeing (28. März 1963) konnte ich bei 200-facher Vergrößerung die Mars-Polkappe und mehrere Oberflächendetails, darunter die kanalartige Struktur "Xanthe" sehen – der Planet hatte zu dieser Zeit nur 10 Bogensekunden Durchmesser!
In der Rückschau muss diese Optik und ihre Kontrastleistung schlicht perfekt gewesen sein, um so viele Details zu zeigen. Durch das ausgesprochen kleine Öffnungsverhältnis von 1:16 wurden die Farbfehler des Fraunhofer Achromaten fast auf Null reduziert. Ausschließlich an der Venus zeigte sich ein purpurner Hauch. Heutzutage nennen manche Hersteller eine solche Farbkorrektur "apochromatisch". Ich erinnere mich an meinen ersten Schrecken, als ich endlich die Gelegenheit bekam, einmal durch größere Refraktoren zu "spitzen" und die violetten Farbsäume um Jupiter, Saturn und alle hellen Sterne sah. Noch wesentlich mehr enttäuscht war ich jedoch von der "zerfransten" Abbildung der Newton Teleskope, die meine Freunde benutzten. Ihre Geräte reichten von einem 67 f10 Newton, das ebenfalls recht scharfe Sternscheibchen zeigte und hervorragend an Planeten zu gebrauchen war – bis hin zu "armen Tröpfen" von Teleskopen, die man nicht einmal richtig scharfstellen konnte. Es war mir damals noch nicht klar, welche bildzerstörerische Wirkung eine ungenügende Justage der Optik, Turbulenzen im Tubus und atmosphärisches Seeing gerade bei Newton - Teleskopen größerer Öffnung haben können; ich habe das damals immer der "schlechten Optik" zugeschrieben.
Mit dem Refraktor habe ich begonnen und nach 30 Jahren bin ich heute wieder am Ausgangspunkt. Genug davon – jedenfalls hatten mich diese Erfahrungen dazu gebracht, einen größeren Refraktor zu kaufen – einen 7-Zöller mit 1:17 Öffnungsverhältnis, hergestellt von Harold Brown aus Toronto. 200 Dollar bezahlte ich dafür im Jahre 1966. Für den Besitzer war meine Neuerwerbung wohl eher ein lästiges Ungeheuer und er war froh, es aus der Garage loszuwerden. Das ganze Ding hatte über Jahre im Freien gestanden, nur mit einer Persenning abgedeckt. Die Montierung war in der Tat nur ein verrostetes Stück "Vorgartenkunst", von der ich ausschließlich das Gegengewicht retten konnte und der Okularauszug taugte bestenfalls für den Schrottplatz.
Ein paar Monate später jedoch wurde der Refraktor in meiner Rolldachhütte am Stadtrand von Toronto wieder zum Leben erweckt. Alle nannten ihn das "Big eye", und es war der größte Refraktor im Amateurbesitz in ganz Kanada. Leider müssen wir alle, die wir dieses Spiel mit der Sternguckerei betreiben, früher oder später lernen, dass größer nicht auch notwendigerweise besser ist. Jedes auch nur einigermaßen helle Objekt war von einem purpurfarbenem Halo umgeben und zusätzlich litt das Selbstbau-Objektiv an Astigmatismus.
Um diese Bildfehler auszuschalten, musste ich die Öffnung auf 5¼" abblenden, so dass ein feiner Refraktor mit 1:23 Öffnungsverhältnis daraus wurde. Zwei Jahre später hatte man dann zwei Kilometer weiter ein großes Einkaufscenter gebaut, was die Beobachtungsmöglichkeiten stark einschränkte. 1969 habe ich alles verkauft. In den Jahren von 1970 bis 83 habe ich dann eine ganze Anzahl von Newton, Schmidt-Cassegrain und Maksutov Instrumenten erworben – und wieder verkauft. Ich hatte zwar meinen Spaß mit allen, aber kein einziges dieser Geräte brachte dieselbe messerscharfe Abbildung wie mein alter 3-Zöller. Auf kleinere Öffnungen wollte ich nicht zurückgehen – aber warum sollte es denn nicht möglich sein, die Leistung meines kleinen Achromaten auf größere Öffnungen zu übertragen? Das hat mir keine Ruhe gelassen.
Schon von der Theorie her ist ein optisches System ohne zentrale Abschattung das ideale Design; für kommerzielle Geräte im Amateurbereich wäre dies folglich der Refraktor. Darüber hinaus wirken sich geringe Herstellungsfehler bei Linsenflächen wesentlich geringer auf die Gesamtleistung des optischen Systems aus als bei Spiegeloptiken. Die "ausgleichende Gerechtigkeit" ist beim Refraktor der Farbfehler, der mit zunehmender Öffnung himmelwärts ansteigt. Ein 6" f 10 Refraktor hat bei gleicher Konstruktion bereits einen 30-fach höheren Farbfehler als ein 3" f 15 Fraunhofer Achromat. Andersherum gerechnet bedeutet das, dass der Farbfehler des 6-Zöllers um 97% reduziert werden muss, um die gleiche Farbkorrektur wie der kleine Refraktor zu bekommen.
In den späten Siebzigern habe ich erstmals von den neuen Fluorit Refraktoren von Takahashi mit hervorragender Farbkorrektur gehört, andere Hersteller folgten dem Trend. In einem zweilinsigen Objektiv kann Kalzium-Fluorit – solange es als zweiter Bestandteil des Objektivs und mit voller Öffnung benutzt wird – den Farbfehler unter die visuelle Wahrmehmungsgrenze bringen – sogar bei der Venus. 4-Zöller, die von Takahashi und Vixen vertrieben werden, bieten eine hervorragende Leistung – teuer zwar, aber für den anspruchsvollen Beobachter sind sie ihr Geld wert. Für Geräte mit größerer Öffnung steigen die Kosten allerdings ins "Astronomische".
Um 1984 herum war plötzlich eine andere Alternative auf den Markt: Voll-Apochromaten der Fa. ASTRO PHYSICS aus Illinois.
Refraktoren dieser Firma hatten Triplett Objektive, die den Farbfehler wahrhaftig überwinden konnten. 1985 bestellte ich einen 5" f12 Apochromat – und nach meiner allerersten Nacht mit diesem Teleskop war mir klar, dass meine jahrzentelange Suche ihr Ende gefunden hatte. Hier war endlich ein Fernrohr, das sich so verhielt wie eine vergrößerte Version meines alten 3" Unitron. Nach einigen Monaten der Beobachtung konnte ich einfach nicht wiederstehen und bestellte eine ganze Baureihe der kurzbrennweitigen Refraktoren von Astro Physics: das 4"/f 6,5; 5½"/f7 und einen 7"/f9 Starfire. Die beiden 4" und 5½" Refraktoren hatten die gleiche hervorragende Leistungsfähigkeit wie der f12 5-Zöller, wobei die kürzeren Brennweiten gegenüber dem 5" f12 einen Hauch Farbe zeigten. Die kurze Brennweite macht diese Geräte jedoch zu hervorragenden Reiseteleskopen. Der 4-Zöller ist ganz besonders gut für die Super Polaris Montierung geeignet. Das passt alles in meinen kleinen Wagen, ist in 3 Minuten aufgestellt und zeigt dann die Pleiaden bei zwanzigfacher Vergrößerung genauso perfekt wiePlaneten bei 150-facher Vergrößerung.
Auf den 7-Zöller habe ich 20 Monate gewartet – aber er war es wert! Dieses StarfireTriplett Objektiv ist praktisch völlig farbenrein. Die Bauart unterdrückt chromatische Bildfehler so effektiv, dass man das Gefühl hat, der Refraktor sei neu erfunden worden. Ein winziger bläulicher Hauch zeigt sich bei Wega und schwächer noch an der Venus. An den übrigen Planeten oder am Mond konnte ich überhaupt keine Farbfehler feststellen. Trotz der geringen Deklination (mein Standort liegt in Kanada) zeigte sich Saturn im letzten Jahr mit dem 7-Zöller ganz besonders beeindruckend. Die Cassinische Teilung war um den ganzen sichtbaren Ring deutlich zu erkennen, ich glaube sogar, die Encke'sche Teilung gesehen zu haben. Der Planet selbst zeigte mehrere fahle Bänder neben dem bekannten nördlichen Äquator-Band, in dem noch Details nahe der Auflösungsgrenze zu erkennen waren.
Im Frühjahr 1988 kam dann der zunehmende Mars – mit nur 9 Bogensekunden Durchmesser. Im 7" Fernrohr sah man schon bei mäßigen Sichtbedingungen eine riesige Polkappe, Syrtis Major und die Lybia Region. Zur Zeit der Opposition war der Reichtum an Details einfach überwältigend – mehr als ich zeichnen konnte. Beispielsweise war ich begeistert, die Teilung von Tithonius Lacus zu erkennen, was bedeuten würde, dass hier 120 km breite Strukturen auf der Planetenoberfläche zu sehen waren! Bei Tests an "Deep Sky" Objekten beurteilten drei erfahrene Beobachter den Refraktor als gleichwertig mit einem 10" f5,6 Newton Reflektor, was lichtschwache Objekte angeht. Bei der Auflösung feinster Details, z.B. von Absorptionsbändern in Galaxien und im Zentrum von Kugelsternhaufen war der Refraktor nach einhelliger Meinung überlegen. Bei 180-facher Vergrößerung war der große Sternhaufen im Herkules (M13) als Massierung winziger Sternpunkte zu sehen.
Klar überlegen war auch die Kontrastleistung bei der Planetenbeobachtung. Bei 40-facher Vergrößerung war das 1,6 Grad große Bildfeld umwerfend, M81, M82 und NGC 3077 in Ursa Major waren wunderbar eingerahmt. Ein solcher Vergleich ist natürlich etwas unfair, denn der Refraktor kostet ein Vielfaches des Newton. Aber er zeigt deutlich die Überlegenheit eines optischen Systems ohne zentrale Abschattung, in dem die Transmission 97% des einfallenden Lichtes erreicht.
Astro Physics Refraktoren kosten ca. DM 1300,- bis 1700,- pro Zoll Öffnung und das ist weniger als manche Hersteller für einfache Fraunhofer Achromaten verlangen. Fluoritoptiken sind ab ca. DM 1250.- pro Zoll Öffnung zu haben, manche Hersteller verlangen über DM 2000,-. Der Genesis Refraktor von Tele Vue hat nur einen Telekompressor aus Fluorit aber seine Leistung soll nach Berichten von Leuten, die ihn getestet haben mit den echten Fluorit Optiken und mit den Starfires vergleichbar sein.
Warum also soll man DM 7000,- für einen 5" Apochromaten zahlen, wenn man für das gleiche Geld ein voll ausgerüstetes 8" Schmidt-Cassegrain Teleskop oder sogar einen 17" Dobson Reflektor bekommen kann? Ja, warum nur? Nachdem meine Voreingenommenheit ja so offensichtlich aus diesem Bericht hervorgeht, kann ich nur erneut bekräftigen, dass ich dem apochromatischen Refraktor schlicht verfallen bin. Die astronomische Beobachtung ist für mich in erster Linie ein ästhetisches Erlebnis – eine ganz private Reise in Zeit und Raum. Dem bloßen Auge erscheinen die Sterne als winzige Punkte – und genauso will ich sie auch im Fernrohr sehen. Planeten sollten als Kugeln mit messerscharfen Rändern zu sehen sein, die bei gutem Seeing eine diamantene Klarheit offenbaren. Ein Stern und eine lichtschwache Galaxie sollen sofort zu unterscheiden sein und die Bildschärfe muss bei niedrigen Vergrößerungen über das ganze Bildfeld gehen.